Chiapas 10/1988

Palenque, San Cristóbal de las Casas, 10. bis 13. Oktober 1988

Am Nachmittag erreichten wir von Escarceger kommend am 10. Oktober Palenque im Nordosten von Chiapas. Nach dem Check in im Hotel besuchten wir sofort die Ruinen der Mayastadt Palenque. Beeindruckt waren wir abgesehen von den Bauten von den großen, auf dem Gelände verteilten Aronstabgewächsen, unter deren Blättern sich ein Mensch unterstellen kann. Nach Einbruch der Tropennacht hüpften im regenfeuchten Vorgarten des Hotels riesige Kröten herum. Das war harmlos im Vergleich zu einem Erlebnis am nächsten Tag an einem Bankschalter, als ein mittelalter Typ von einer Plantage dreist versuchte, meine Partnerin anzubaggern.

Von Palenque bewegten wir uns auf einer in der Chiapas-Karte dünn eingezeichneten, aber durchaus gut befahrbaren Straße in südwestlicher Richtung über Ococino auf San Cristóbal de las Casas zu. Am Ortsausgang von Palenque wurde die Straße von Wassergräben gesäumt, in denen sich als Neophyten Wasserhyazinthen ausgebreitet hatten. Der Himmel war die ganze Zeit über düster verhangen, in den Tallagen triefte die Landschaft vor Nässe, beiderseits der Straße ging der Blick hin zu steilen, spitzkuppigen, bewaldeten Bergen. Gelegentlich öffnete sich die Landschaft zu ausgedehnten, sumpfigen Ebenen mit Teichen; Spuren von Brandrodung waren zu erkennen, nur wenige alte Bäume hatten dort die Feuer überstanden, doch nachwachsender Wald begann die Wunden wieder zu schließen.  Von einer Anhöhe ging der Blick zu einem entfernten, steil herabschießenden Urwaldfluss, den Rio Basca. Kurz östlich der Straße vereinigt sich der Rio Basca mit dem Rio Chamula und stürzt westlich der Straße Palenque – Cristóbal über Felsen zu Tal. Wir nahmen den Abzweig zum Örtchen Cascadas und liefen an den Kaskaden des wilden, gefährlich donnernten, angeschwollenen Flusses aufwärts. Ein junges Mädchen, das uns am Ortsrand ansprach, verkaufte uns reife, grüne Apfelsinen. Vor Ococinco führte die Straße höher in die Berge hinauf, dort wurde der tropische, großblättrige Laubwald nach und nach durch langnadelige Kiefern ersetzt.

Am Vormittag des 11. Oktober schlenderten wir durch das Zentrum von Cristóbal. Wir besuchten den Kunstgewerbemarkt in der Avenida General Utrilla, wo Maya-Frauen in traditioneller Kleidung, die hier im Gebirge warmhalten muss, im Schneidersitz vor ihren vor sich ausgebreiteten Waren saßen, meist Tücher, Schals, Bänder und Schmuck, ein tiefes Blau, Violett und Rot waren dominierend. Eine kindlicher Schuhputzer rief uns an und wir taten ihm den Gefallen und setzten uns nacheinander auf seinen Stuhl. Für die Schuhe war das nicht unbedingt das Beste. Wir stiegen eine lange Treppe zu einer Kapelle auf einer Anhöhe am Stadtrand hinauf, dort steht eine aus Nummernschildern und Blechdosen gefertigte Christus-Skulptur, und hatten von dort freien Ausblick auf die Dächer der Stadt, während sich in unserer Nähe Truthühner Futter suchend herumtrieben. Unter den Arkaden am Rathaus hatten sich indigene Hungerstreikende und Musiker versammelt.

Am Vormittag des 12. Oktober streiften wir über den an einem Hang liegenden Lebensmittelmarkt. Ein paar Totalen mit dem Fotoapparat wurden von Umstehenden mit bösen Blicken quittiert, die Atmpsphäre wirkte nicht gerade entspannt. Wir fuhren dann nach dem Mittagessen zu den Grutas am Rand von Cristóbal, ließen das Auto stehen und folgten einem Weg in die Berge durch einen ganz Wald, der mit zunehmender Höhe einen immer exotischeren Charakter annahm. Die Bäume waren übersät mit epiphytischen Bromelien und Tillandien, teils mit grünen Blättern, teuld mit leuchtend roten Blättern, viele blau blühend, Wind und Regen hatten viele Baumaufsitzer von ihren Unterlagen gelöst und auf den Boden fallen lassen. Neben zwei Kiefernarten wuchsen hartlaubige Laubbäume, ähnlich den Steineichen. Im Unterholz und festgekrallt in Felsen wurzelten die kompakten Rosetten von Agaven. Agekommen an einem Bergkamm waberte kalter Nebel durch den Märchenwald.

Am 13. Oktober begaben wir uns auf die Weiterfahrt in Richtung Tuxtla. Östlich von Escopetaso machten wir Halt für den Ausblick auf ein im Tal gelegenes Dorf, umgeben mit besonders üppigen Maisfeldern. Westlich von der Verzweigung der Mex 190/195 führte die 190 durch eine breite, von Maisfeldern eingenommene Hochebene, im Nordosten begrenzt von dem hohen, schroffen, blaugrünen Gebirge der Meseta Central de Chiapas, der Straßenrand von Blüten orange getupft. Im Grenzbereich zwischen Chiapas und Oaxaca passierten wir ein Gebirgstal, entlang der Straße und am Talboden wuchsen stattliche, stark verzweigte Bäume. Starke Regenfälle im September hatten ein Stück der nicht sehr solide gebauten, kaum abgestützten Mex 190 abrutschen lassen, Bauarbeiter hatten bereits ein Notumfahrung geschoben. Mit Spannung sahen wir einem Sattelzug mit Bezinladung zu, der sich gerade anschickte, das Provisorium zu überwinden. Unser Tagesziel war San Pedro Tepanatepec, kein Ort der sich bei uns eingeprägt hat, abgesehen von dem Hotel an einer Gefällestrecke der Straße, wo jeder Truck und jeder Bus die Motorbremse aufröhren ließ, so dass es mit dem Schlafen nicht weit her war.

Wird fortgesetzt in der Galerie Oaxaca

 

 

p