Yucatán, Quintana Roo, Campeche 10/1988

México-Reise vom 03. bis 31. Oktober 1988, erster Abschnitt: Halbinsel Yucantan, Bundesstaaten Yucatan, Quintana Roo und Campeche

Erste Station war Mérida im méxikanischen Bundesstaat Yucatan, Unterkunft hatten wir im zentral gelegenen Hotel Caribe in der Calle 58 Ecke 59. Vom Dachgarten hatte man den Blick in den Innenhof des Hotels, auf die Catedral San Ildefonso und die unaufgeräumten Dächer der Umgebung. Zweimal besuchten wir 2 nahegelegenen, florierenden Märkte, den Mercado Municipal (Stadtmarkt) für Kunsthandwerk und den Markt La Unica Vallisoletana in einem Arkadengebäude. Bemerkenswert waren die bunten Obststände, u.a. mit den grünschaligen, gelbfleischigen, aber reifen Apfelsinen, die in México wachsen. Maya-Frauen aus der Umgebung trugen ihre Trachten. Mérida war damals nicht unbedingt eine schöne Stadt (und ist es wahrscheinlich auch heute nicht), es gab abgesehen vom lebhaften, bunten Markt einige gut erhaltene, protzige Bauten am Paseo de Montejo (Museo de Anthroplogy and History, Palacio Canton, El Museo Casa Montejo,  Las casas gemelas, die Zwillingshäuser ehemaliger reicher Haziendadores) und daneben viele Straßen mit eher einfachen, improvisierten, oft heruntergekommenen, vom feuchten Tropenklima zusätzlich gestressten Gebäuden, mit dazu passenden, mehr oder weniger kaputten Autos. Die entsprechenden Aufnahmen  sind in der 56. Straße gemacht.

Am 04. Oktober fuhren wir mit unserem Mietwagen die Straße in Richtung Progresso. Unterwegs hielten wir bei einer Henequen verarbeitenden Fabrik. Henequén-Agaven wurden auf Feldern der Umgebung angebaut, wir sahen 2 Tage später den Ernte- und Ladevorgang an der Straße nach Puerto Juarez, jetzt aber das Laden der Brechmaschine zur Gewinnung der Blattfasern und die zum Trocknen in der Sonne aufgehängten, stinkenden Henequén-Fasern. Ein Fabrikarbeiter, augenscheinlich ein Maya mit einem sehr markanten Gesicht, gestattete ihn zu fotografieren. Unser Tagesziel waren die Ruinen von Dzibilchaltún, eine wenig besuchte, aber ausgesprochen interessante Ausgrabungsstätte der Maya-Kultur. Auf Grund technischer Probleme (der Film in der Camera wurde nicht transportiert) gibt es kaum Aufnahmen von diesem Besuch, den 1992 fotografisch mit mehr Erfolg wiederholten.

Eine Seitenstraße von Hunderten , wenn nicht Tausenden handgroßer Vogelspinnen in beiden Richtungen überquert. Hielten wir an und öffneten die Autotür, so wurde das von ihnen registriert und sie gingen in Abwehrstellung. Ein ungewöhnlicher, etwas gruseliger Anblick.

Am 05. Oktober waren das berühmte Uxmal und das weniger besuchte Labná unsere Ziele. Das technische Problem bestand auch noch in Uxmal, so dass nennenswerte Fotografien erst 4 Jahre später zustande kamen. Gegen Abend kamen wir nach einem ergiebigen Regen bei der Ausgrabungsstätte von Labná an. Freigelegte Gebäude der Maya-Stadt waren teilweise in keinem guten Zustand, manches war noch nicht ausgegraben. Beim Visitorcenter schnitzten Maya-Künstler aus weichem Zedernholz Götterrelieffiguren.

Der Besuch der ebenfalls berühmten Ausgrabungsstätte Chitzén Itza folgte am 06. Oktober. Wir fuhren über Katumil, kauften dort von einem Maya-Mädchen mit dem Namen Mari Apfelsinen, kamen durch Libre Union und schließlich ans eigentliche Ziel. Im ausgegrabenen und restaurierten Zentrum des einstigen Maya-Stadtstaats gibt es im ehemaligen Macht- und Religionszentrum imposante Bauten, die mit unpassenden spanischen Namen wie z.B. El Castillo (Pyramide de Kukulcan) bezeichnet werden. Von den Häusern des einfachen Volks ist dagegen nichts geblieben. Wir wiederholten eine Erfahrung, die wir bereits in  Uxmal gemacht hatten: Maya-Pyramiden sind ziemlich steil gebaut. Dennoch geht der Aufstieg bis zur Plattform der neunstufigen Pyramide, wenn man sich an der ausgelegten Kette gut festhält, recht zügig. Etwas anderes ist der Abstieg, vorallem der erste Schritt von der Plattform herunter kostet eine gewisse bis beträchtliche Überwindung. Doch die Aussicht vom Tempel auf der Pyramide auf den sog. Kriegertempel, den Ballspielplatz mit dem Jaguartempel, weitere Bauten des Areals und den niedrigen, auf Kalkfels wachsenden, laubwerfenden Urwald lohnt die Anstrengung.

In dem von der Außenwelt abgeschotteten Hotel der Kette Villa Archeologico unweit der Ausgrabungsstätte von Chitzen Itza fühlten wir uns eher deplaziert. Die Pyramide von Chitzen Itza überragt den in der Trockenzeit weitgehend kahlen, hellgrauen, skelettartigen Wald, sie ist daher weithin zu sehen. In der Umgebung des Hotels werden Bananen, Papaya und Vanille angebaut. Ein Blickfang außerhalb der Hotelmauern war ein imposanter alter Jacarandabaum, mit von Stürmen halbierter Krone immer noch deutlich höher als der umgebende Wald und bewachsen mit Tausenden von Bromeliengewächsen.

An Valladolid, den ersten größeren Ort auf der Weiterreise am 07. Oktober, erinnere mich nur schemenhaft: Schäbige Häuser entlang der Hauptstraße und im Zentrum eine große Kirche. Die kerzengerade Straße zwischen Cobá und Tulum (Bundesstaat Quintana Roo) an der Küste führte durch den für weite Teile der Halbinsel Yucatan typischen kurzstämmigen, knorrigen Urwald. Einmal hielten wir bei einer windschiefen Hütte, ein anderes Mal bei einem von Geiern in Beschlag genommenen Baum. Es war bereits nach 18 Uhr und dunkel und wir wurden unsicher, ob wir uns auf dem richtigen Weg befinden. Wir nahmenn einen Anhalter auf und erhofften uns von ihm einen Hinweis auf die Straße nach Tulum. Wie sich zeigte, leitete uns der Tramper in eine andere, ihm genehme Richtung. Als der Verdacht zur Sicherheit wurde, musste er den Wagen verlassen, wir wendeten und fanden schließlich ein Strandhotel in Akumal, dessen einzige Gäste wir in dieser Nacht waren. Die Bungalows standen noch, aber die nähere Umgebung war durch den Hurrican Gilbert ein paar Tage vorher arg in Mitleidenschaft gezogen worden. Es war eine schwülwarme, auf Grund dichter Bewölkung tief dunkle Tropennacht. Am Geländer bewegten sich schwerfällig Nashornkäfer von der Größe einer Maus und mittelgroße Krabben versuchten hartnäckig auf der Suche nach Nahrung in unseren Raum zu gelangen.

Der nächste Morgen begann grau und regnerisch; wir konnten nun besser sehen, mit welcher Heftigkeit der Sturm gewütet hatte. Viele Kokospalmen am Strand hatten ihre Kronen eingebüßt und Wind und Wellen hatten Müll aller Art an der Wasserfront aufgehäuft. Nach und nach verstärkten sich die Pastellfarben von See und Himmel und mittags leuchtete die See im tief Türkisblau unter einem wolkenlosen Himmel. Die Mayastadt Tulum wurde auf felsigem Gelände über der Steilküste errichtet. Die Zeremonialbauten sind weniger spektakulär im Vergleich zu Uxmal oder Chichen Itza, dennoch einen Besuch wert.

Noch am gleichen Tag, dem 08. Oktober, setzten wir die Fahrt von Tulum nach Felipe Carillo Puerto fort. Der Urwald, soweit er noch existiert, wächst hier etwas üppiger als in Yucatan. Oft war entlang der Straße 307 nur ein schmaler Baumstreifen stehen geblieben und die Flächen dahinter waren für die Landwirtschaft gerodet worden. Unser Etappenziel war Francesco Escarceger im Bundesstaat Campeche, ein Ort, der allgemein als hässlich und unsehenswert beschrieben wird. Ein halbwegs gutes Hotel war dort nicht geboten und so verbrachten wir die feuchtwarme Nacht in einem billigen, aber überdurchschnittlich kaputten Raum mit klammer Bettwäsche.

Der folgende Morgen sah uns müde und unfröhlich. Für das Frühstück nahmen wir an einem Tisch mit speckiger Plastikdecke vor einer wenig einladenden Bar am Ortsausgang Platz. Über das méxikanische Frühstück konnten wir uns jedoch keinesfalls beklagen. Die Straße 186 nach Villahermosa querte einen wasserreichen, glasklaren Bach, eingebettet in üppige Vegetation; Fächerpalmen fielen besonders auf. Die Gegend am Rio Candelaria war überschwemmt, Reiter patrollierten in den Weideflächen, ihre Pferde bis zum Hals im Wasser. Auch die Straße stand unter Wasser und das Durchkommen schien ungewiss. Wir beobachteten ein paar Autos, die es schafften und schließlich waren auch wir erfolgreich. Zwischen dem Rio Candelaria und dem großen Fluss Usumacinto erstreckt sich sumpfige Ebene, Lebensraum für viele Wasservögel. Beiderseits der Straße sind Kanäle angelegt. Der Rio Usumacinto, u.a. Heimat der als Aquarienfische geschätzten Platies (Xiphophorus maculata), war durch Hochwasser mächtig angeschwollen.

Fortsetzung in der Galerie Chiapas

 

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